INTERVIEW MIT CONTESSA JULIETTE
FetishPoint: Sie haben jahrelang als Profi-Domina in Wien gearbeitet und seit nunmehr zehn Jahren, seitdem Ihre Autobiografie erschienen ist, sind Sie eine der gefragtesten Lehrerinnen auf dem Gebiet der Domination und BDSM.
Contessa Juliette: Ja, als 2014 mein Buch „Der Engel mit der Peitsche“ erschien, dachte ich, das sei einfach eine spannende Story, die im Gegensatz zu 50 Shades of Grey der Wahrheit und dem echten Leben entspringt. Ich hoffte, dass meine Autobiografie die Leser und Leserinnen fesseln würde. Für mich war das Buch eigentlich das Schlusswort unter einem Lebenskapitel, denn im Jahr 2009 hatte ich mich nach Italien zurückgezogen und nicht vorgehabt, wieder in der professionellen BDSM-Szene aktiv zu werden. Aber dann schrieben mich schon bald sehr viele Damen an, notabene, nicht aus dem Profibereich. „So wie Sie, so möchte ich das auch machen. Kann ich das bei Ihnen erlernen?“, fragten sie. Also war ich quasi aufgefordert, wieder nach Wien zurückzukehren und meine Domina-Ausbildungen zu machen. Das war keine Schwierigkeit für mich, denn schon während meiner aktiven Zeit hatte ich das sowohl für Mitarbeiterinnen getan als auch für Damen, die privat interessiert waren.
Nun halte ich regelmäßig Workshops und Seminare in verschiedenen Städten, vorwiegend aber in Wien. Es liegt mir viel daran, einfühlsam und respektvoll an das Thema heranzugehen. Und ich erfahre immer wieder, dass genau das sehr geschätzt wird.
FetishPoint: Viele Menschen würdigen Ihre Expertise und Ihre Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu vermitteln.
Contessa Juliette: Das ist nett, dass Sie das so sagen. Ich sehe mich in gewisser Weise als Pionierin der Aufklärung über BDSM – ich möchte helfen, Vorurteile abzubauen und Verständnis für alternative sexuelle Praktiken zu schaffen. Durch meine diversen Auftritte in der Öffentlichkeit konnte ich dazu beitragen, dass Menschen einen neuen Blick auf BDSM haben und es nicht mehr in der Schmuddelecke sehen. Es ist zum einen mein Anliegen, das Bewusstsein für die Vielfalt menschlicher Sexualität zu fördern, zum anderen will ich Menschen dabei unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen besser zu verstehen.
FetishPoint: Welche Kurse bzw. Ausbildungen bieten Sie an und was wird u. a. unterrichtet?
Contessa Juliette: Angefangen hat es mit den Gruppenkursen zur Domina-Ausbildung. Mittlerweile biete ich aber auch private Schulungen für Paare an. Inzwischen ist zudem die Dominus-Ausbildung ein gefragter Workshop geworden, und so können Paare in jedweder Dom-Sub-Kombination zu mir kommen.
Interessanterweise wurde die Dominus-Ausbildung nur als private Schulung angenommen. Männer mögen nicht so gerne ihre sexuellen Erfahrungen als Teil einer Gruppe erweitern. Sie ziehen es vor, einen Solokurs zu buchen, bei dem ich dann mit einer Sklavin arbeiten lasse, die mir für diese Ausbildungen assistiert.
In meinen Kursen vermittle ich nicht nur Techniken und Praktiken der Dominanz, sondern lege auch großen Wert auf die psychologischen und emotionalen Aspekte. Ich möchte meinen „Schülern und Schülerinnen“ helfen, ein gesundes und respektvolles Dominanzverhältnis aufzubauen – sowohl zu sich selbst als auch zu ihren Partnern oder Partnerinnen.
FetishPoint: Wie ist denn die Atmosphäre bei einer derartigen Schulung? Sind die Personen sehr gehemmt?
Contessa Juliette: Ich glaube, ich darf ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass ich durch meine offene und einfühlsame Art eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffe, in der sich die Kursteilnehmenden frei entfalten und ausprobieren können. Es ist teilweise atemberaubend, die Veränderung der Menschen von Beginn des Kurses bis zum Tagesende zu erleben. Viele entdecken an sich neue Seiten oder gewinnen ein tieferes Verständnis für ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche. – Für mich ist es das Schönste zu erleben, wie Frauen in ihre Macht und Kraft gehen. Das ist mir eine große Befriedigung und bestätigt, dass ich mit meinen Kursen nicht nur Dominanz lehre, sondern Selbstwert und Selbstbewusstsein. Dies gilt übrigens auch für Männer!
FetishPoint: Kommen zu Ihnen auch Frauen, die später als professionelle Domina arbeiten möchten?
Contessa Juliette: Ja, natürlich! Entweder sie deklarieren sich im Vorfeld, dann besprechen wir die Erfahrungen, Neigungen und beruflichen Pläne. Anschließend entscheiden wir gemeinsam, ob die Dame eine eigene Schulung macht, oder ob sie einen Gruppenkurs bucht und dann schaut, ob sie sich weiterbilden möchte. Ob jemand Dominanz privat oder beruflich auslebt, das ist jeweils etwas komplett anderes.
Manchmal schummeln sich aber Damen in den Gruppenkurs, wohl um Geld zu sparen, und glauben, sie könnten dann alle für sie erforderlichen Informationen, Tipps und Tricks einfach während der Schulung erfragen. Das lässt sich aber nicht machen, weil manche Dinge eben völlig anders gelöst werden. Da müssen wir dann, wenn sie ernsthaft in die Professionalität gehen wollen, noch zusätzliche Coachings machen.
Stolz darf ich aber darauf sein, dass aus meinen Kursen schon so manche mittlerweile bekannte, erfolgreiche Profi-Domina hervorgegangen ist.
FetishPoint: Wenn Paare zu Ihnen kommen, was hat sie dann motiviert?
Contessa Juliette: Paare waren auch schon während meiner Profizeit bei mir im Studio. Oftmals sind es Paare, die schon viele Jahrzehnte zusammen sind. Die Kinder sind aus dem Haus und plötzlich gestehen sie sich ihre Wunsch-Fantasien … Da kann dann herauskommen, dass die Dame sich eigentlich gerne unterwerfen würde, oder umgekehrt, der Mann. Wenn diese Paare dann zu mir kommen und die Schulung machen – wo sie sich in meinem Beisein noch mehr outen – erlebe ich unglaubliche Verwandlungen, und zwar zum Besten. Diese Partnerschaften erhalten einen unwahrscheinlichen Kick und werden großartige Beziehungen. Besser als sie all die Jahre zuvor waren. Die Befriedigung, so etwas erleben zu dürfen, ist unglaublich für mich.
FetishPoint: Sie haben aber noch einen Workshop, der angeblich nichts mit BDSM zu tun hat, aber trotzdem so ähnlich heißt?
Contessa Juliette (lacht): Aber ja. Das ist mein Workshop „Dominanz im Business“. Der ist für Frauen, die sich insbesondere im Geschäftsleben im Umgang mit Männern sicher fühlen möchten. Es geht absolut nicht darum, dass die Frau dann plötzlich auf den Tisch haut oder herumschreit, sie soll vielmehr in ihrer Feminität bleiben und sich ihre Macht und Kenntnisse der männlichen Psyche zunutze machen, um erfolgreich zu sein. Diese Kenntnisse sind aber auch für das Privatleben gut anwendbar. Das heißt, man muss nicht unbedingt berufstätig sein, um von diesem Workshop zu profitieren. Es nehmen sogar Dominas teil, um diesen Nachmittagskurs zu erleben.
FetishPoint: Wo findet man die Termine zu den diversen Kursen?
Contessa Juliette: Sowohl auf meiner Webseite www.contessa.at, wie natürlich auch auf Ihrer Webseite www.FetishPoint.at in meinem Inserat im Dominaguide. Die nächsten Kurse sind übrigens bereits online.
FetishPoint: Und wie geht es Ihnen mit der Schriftstellerei?
Contessa Juliette: Lustig, dass Sie danach fragen. Derzeit schreibe ich an dem Fortsetzungsband zu meiner Autobiografie „Der Engel mit der Peitsche“ und hoffe, ihn im Sommer veröffentlichen zu können. Außerdem wird aktuell ein Buch vorbereitet, in dem eine meiner – englischsprachigen – Pornostorys enthalten ist. Es würde mich freuen, wenn wir uns darüber nach dem Erscheinen nochmals unterhalten können.
FetishPoint: Ich möchte mich für das Interview bedanken. Sie, Contessa Juliette, sind durch Ihre Arbeit als Lehrerin und Mentorin zu einer wichtigen Stimme in der BDSM-Community geworden. Sie setzen sich für Aufklärung und Akzeptanz ein und kämpfen gegen Vorurteile und Stigmatisierung. Dank Ihnen können immer mehr Menschen ihre Neigungen und Fantasien selbstbewusst ausleben und ein erfülltes Leben führen.
Contessa Juliette: Ich danke Ihnen für das ausführliche Gespräch und die Aufmerksamkeit Ihrer Leser und Leserinnen.